Leben Und Arbeit Der Frauen Im Nationalsozialismus

AuthorDr. Verena Klappstein
PositionHabilitandin am Institut für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und Bankrecht des House of Finance der Goethe Universität Frankfurt am Main
Pages12-30
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LEBEN UND ARBEIT DER FRAUEN IM NATIONALSOZIALISMUS
Dr Verena Klappstein*
Der folgende Artikel setzt sich mit Leben und Arbeit der Frauen zur Zeit des
Nationalsozialismus auseinander. Beginnen muss ein derartiger Überblick mit der ihnen in der
NS-Ideologie zugedachten und der tatsächlich von den Frauen eingenommenen Rolle. Als
Pars pr o Toto werden in den beiden nächsten Abschnitten Teilaspekte des Lebens der Frauen
beleuchtet. Ausgangspunkt hierfür ist die Arbeit als Grundlage der Unabhängigkeit eines
jeden Individuums. Im dritten Teil geht es um das auch heute wieder sehr aktuell diskutierte
Thema der Frauenrolle im Kontext der Familie. Besonderes Augenmerk wird hierbei auf die
unterschiedlichen Gesetze zur Verhütung erbkranken Nachwuchses gelegt.
A DIE ROLLE DER FRAUEN IN DER NATIONALSOZIALISTISCHEN
IDEOLOGIE UND REALITÄT
In dem folgenden Abschnitt werden zunächst die Frauenbewegung und die Rolle der Frau vor
1933 kurz angerissen. Von dort aus wird die den Frauen von den Nationalsozialisten
zugedachte Stellung nachgezeichnet.
1 Die Frauenbewegung und die Stellung der Frau vor 1933
Hungersnöte, Schwerstarbeit und materielle sowie immaterielle Verluste im Verlauf des
ersten Weltkrieges führten zu (inter-)nationalen, und auch pazifistischen
Frauenvereinigungen.1 Die Frauenbewegung des ausgehenden 19. und beginnenden 20.
Jahrhunderts besaß drei Strömungen mit jeweils unterschiedlicher Zielsetzung: Zum einen
gab es die bürgerliche Strömung. Sie wurde im Jahre 1894 durch Gründung des
Dachverbandes in dem Bund Deutscher Frauenvereine (BDF) zusammengefasst.2 Die
mannigfachen Vereine des BDF boten den bürgerlichen3 Frauen bei Problemen der
Familienfürsorge, Arbeitsvermittlung und Arbeitsberatung, die aufgrund des ersten
Weltkrieges entstanden waren, Hilfe; die zuvor in „Selbstorganisation“4 vorzunehmende
Bewältigung von Schwierigkeiten wurde so von staatlichen Einrichtungen übernommen.
Diese Entwicklung wurde durch den Krieg noch verstärkt. Daneben wirkte die proletarische5
Frauenbewegung. Ihre Zielsetzung war dem Programm der Sozialdemokraten angenähert und
bestand z. B. in der Forderung nach einem Zugang von Frauen zu Universitäten oder einem
Recht auf Erwerbstätigkeit. Die fortschrittliche Frauenbewegung, als dritte Strömung, suchte
darüber hinaus eine Emanzipation durch Verleihung staatsbürgerlicher Rechte zu erreichen.
Die unterschiedliche Einstellung zum ersten Weltkrieg teilte das Lager der
Frauenrechtlerinnen. Kriegsbefürworterinnen und Pazifistinnen standen sich gegenüber. Da
die führenden Mitglieder des BDF verschiedene Organisationen zur Kriegsunterstützung
* Dr. Verena Klappstein ist Habilitandin am Institut für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrec ht und Bankrecht des
House of Finance der Goethe Universität Frankfurt am Main.
1 Wiggershaus, Frauen unterm Nationalsozialismus, 1984, S. 12.
2 Vgl. allgemein hierzu: Gerha rd, Blütezeit und Richtungskämpfe, in: Gerhard, Ute (Hrsg.) Unerhört. Die
Geschichte der deutschen Frauenbewegung 1992, S. 169213; Gr even-Aschoff, Die bürgerliche
Frauenbewegung in Deutschland 18941933, 1981.
3 Der Begriff „bürgerlich“ oder auch „bürgerlich-gemäßigt“ bedeutet in diesem Kontext nicht eine
gesellschaftliche Statusbezeichnung, sondern eine politische Richtung.
4 Sachße, Mütterlichkeit als Beruf, 3. Auflage 2003, S. 172.
5 Diese Frauenbewegung wird auch die „sozialistische“ genannt.
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durch Frauen gründeten,6 erweckte dies den Anschein, dass der BDF selbst
kriegsunterstützend fungierte und daraus folgend deutschnational7 war. Tatsächlich
beteiligten sich an diesen neugegründeten Organisationen aber auch Frauen aus dem
gewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Lager,8 was die Ambivalenz der
Dachorganisation des BDF verdeutlichen mag. Die konfessionellen Verbände lehnten den
Eintritt in den BDF dagegen eher ab.
Mit der Novemberrevolution erlangten die deutschen Frauen das aktive und passive
Wahlrecht. Aufgrund des gewonnenen Stimmrechtes und der damit verbundenen Macht9
konnte die Politik der Weimarer Republik Frauen nicht mehr unbeachtet lassen. Dennoch ist
es bezeichnend, dass Frauen nicht diejenigen Parteien wählten, denen sie ihre neuen Rechte
zu verdanken hatten, sondern ihre Stimmen den konservativen, antirepublikanischen Parteien
gaben, die sich gegen die Gleichberechtigung von Männern und Frauen aussprachen.
Frauen eroberten in dieser Zeit auf dem Arbeitsmarkt ehemalige Männerdomänen, indem sie
als Sekretärinnen und Büroschreibkräfte tätig waren. Dies lässt sich anhand einiger Zahlen
verdeutlichen: Im Jahre 1913 waren nur 7,7% Frauen in den Angestelltenverbänden vertreten,
1921 belief sich der Anteil von Frauen schon auf 23,8%.10 11 Millionen Frauen arbeiteten in
den zwanziger Jahren ganztägig, wenn es auch noch großen Widerstand gegen die
selbstständige Tätigkeit der Frauen in Bereichen der Medizin oder Lehre gab. Die neue
Freiheit wurde von vielen Frauen begrüßt, führte jedoch nicht unmittelbar zu einem
umfassenden politischen Bewusstsein oder politisch verantwortungsbewusstem Handeln.11
2 Die Einstellung der Nationalsozialisten zur Frau und der Frauenbewegung
6 So führte z. B. H. E. Hiders eine Mobilisier ung der Frauen für den Kriegshilfsdienst durch. Gertrud Bäumer
wirkte dagegen entscheidend 1914 bei der Gründung des Nationalen Frauendienstes mit.
7 Twellmann, Erlebtes Erschautes. Deutsche Frauen kämpfen für Freiheit, Recht und Fried en 18501940, 1977,
S. 118, die von einer derartigen vaterländischen Gesinnung schreibt, die es der deut schen Frauenbewegung
verboten habe, sich mit Pazifistinnen anderer Länder zusammenzuschließen.
8 So erklärte die Vorsitzende, Auguste Schmidt¸ in ihrer einleitenden Ansprache, dass Arbeiterinnenvereine im
Bund willkommen seien, solange sie keine politischen Tendenzen hätten. Dies versteht sich vor dem
Hintergrund, dass nach § 8 Ziff. a) der Verordnung über die Verhütung eines Missbrauchs der Versammlungs -
und Vereinigungsrechts vom 11. März 1850, Preußische Gesetzessammlung, 1850, S. 277, 279 Frauen die
Aufnahme in einen politischen Verein verboten war. Anita Augspurg war jedoch eine Gesetzeslücke aufgefallen,
welche die Gründung eines Stimmrechtsvereins ermöglichte: 'Dürfen die Frauen in manchen wichtigen Staaten
des deutschen Reiches, wie Preußen und Bayern, keine politischen Vereine gründen, so verlegen wir den Sitz
eines deutschen Vereins für Frauenstimmrecht in einen der 16 Bundesstaaten, deren Verfassung und
Vereinsgesetze derartige vorsintflutliche Bestimmungen nicht kennt, also das Bestreben von polit ischen
Frauenvereinen gestattet. Die Frauen aller, auch der rückständigen deutschen Bundesstaaten können die
Mitgliedschaft in den Vereinen erwerben, dagegen besteht kein Verbot.' Heymann, 1977, S. 97 f. zitiert nach;
Clemens, „Heraus mit dem Frauenwahlrecht“, Wickert, (Hrsg.), Pfaffenweiler 1990, S. 53 f.
Das preußische Verbot wurde erst durch den Erlass des Reichsvereinsgesetzes vom 19. April 19 08,
RGBl. 1908, S. 151 aufgehoben. Verfassungsrechtlich manifestiert wurde dies später in Art. 124 WRV. Vgl.:
Nipperdey¸ Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Zweiter Band, 1930, S. 141; Stier-
Somlo, Das Preußische Verfassungsrecht, 1922, S. 102.
9 Ob das aktive Wahlrecht tatsächlich einen Machtgewinn bedeutete, war damals umstritten. Die fortschrittliche
Frauenbewegung nahm dies an. Demgegenüber erblickten einige der bürgerlichen Frauenbewegung darin einen
politischen Fehler. Vgl. hierzu: Ley¸ Einerseits und Andererseits, das Dilemma liberaler Frauenrechtlerinnen in
der Politik, Diss. Pfaffenweiler 1999, S. 53 ff.; Clemens, in: Wickert (Hrsg.) „Heraus mit dem Frauenwahlrecht“,
1990, S. 51 ff.
10 Schoenbaum, Die braune Revolution Eine Sozialgeschichte des Dritten Reiches, 1980, S. 37.
11 Wiggershaus (Fn. 1), S. 13.

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